Tornados in East-Central WI
Das wichtigste vorweg: Bei uns ist noch alles heil und wieder an seinem Platz – und sogar mein Salat hat überlebt.
Was überlebt??? Vermutlich habt ihr in D das gar nicht allzu sehr mitbekommen, aber durch East-Central Wisconsin – also mitten durch Green Bay - sind am vergangenen Mittwoch einige Tornados durchgezogen. Allesamt aus der Kategorie „moderate“, also keine solchen Höllenstürme, die es in die internationale Berichterstattung schaffen würden. Trotzdem, sie waren bedrohlich genug, um die hiesigen local governments dazu zu veranlassen, eine offizielle Warnung an die Bevölkerung auszusprechen. Für mich sah das dann so aus, dass zuerst, so gegen 15:50, mein Handy einen schrillen Ton von sich gab und ungefragt eine Textmessage vorlas: „Tornado warning for your region until 4:30pm! Seek shelter now!“. Ok, ein Gewitter lag schon seit ca. einer Stunde in der Luft, trotzdem war ich erst mal perplex und war mir nicht ganz sicher was ich davon halten soll. An einen Scherz glaubte ich zwar nicht, da hier tatsächlich das vorhandene Mobilfunknetz genutzt wird um Warnungen an die Bevölkerung auszusprechen. Vor ein oder zwei Woche haben wir schon mal eine Ähnliche erhalten, dabei ging es um eine Kindesentführung und die Bevölkerung wurde aufgerufen nach einem dunkelroten Van mit Kennzeichen xy Ausschau zu halten. Trotzdem, ich war mir nicht sicher, soll ich mich jetzt echt im Keller verschanzen, nur weil mein Handy das so will? Eine kurze WhatsApp-Konversation mit Joe, auch er und seine Kollegen auf der anderen Seite der Stadt hatten diese Warnung erhalten und sich daraufhin in sichere Räume zurückgezogen hatten. Quasi im gleichen Moment gingen die Sirenen los und unsere Nachbarin, die bis dahin im Garten zu Gange gewesen war, verschwand im Haus. „Ok, Sh.., das ist Ernst!“ ging es mir durch den Kopf, und in einer Gefühlslage irgendwo zwischen „echt jetzt?!?“ und „strukturierter Panik“ rettete ich erst noch schnell wenigstens meine mobilen Salatkübel ins Haus und verschwand dann im Keller. Zuerst noch mit Licht – das begann dann aber nach einigen Minuten zu flackern und kurz darauf war der Strom weg.
Blödes Gefühl kann ich euch sagen! Im dunklen Keller hocken, dem Strum über dir zu lauschen und zu hoffen, dass der Tornado nicht ausgerechnet in deiner Nachbarschafft nen „Touch Down“ macht. (Ja, so heißt das wirklich, wenn sin Wirbelsturm sich bis auf den Boden ausbildet und als Tornado zu wandern beginnt.) „Alles in Ordnung“ fühlt sich auf jeden Fall anders an, und so dachte ich mir, ich sollte dem Versprechen an die Familie zu Hause „Wenn ihr nichts von uns hört ist Alles in Ordnung“ ihre Glaubwürdigkeit erhalten und zu Hause anrufen. Da ist es jetzt gerade mal 23:00 – sollte also noch ok sein, und außerdem wollte ich herausfinden, ob das Handynetz stabiler ist als das Stromnetz. Dem war so – kein Strom, aber du kannst nach Deutschlang telefonieren. Also hab ich mit Mama in Deutschland telefoniert – zugegeben, auch um mich etwas von der Situation abzulenken. Unser Gespräch irgendwas zwischen small-talk und Galgenhumor – „Ja, auf euren Sizilienurlaub bin ich schon neidisch, da funktioniert zwar auch nix, aber die Italiener haben wenigstens Stil und guten Espresso“ als Kommentar zum Stromausfall oder „Hey wenn der Tornado das Haus über mir umschmeißt ist das ja nur ein Haufen Holzbretter, da kann ich mich zur Not selbst befreien.“ als das berühmte Pfeifen im Wlade.
Als mir dann aber klar wurde, dass dieser Stromausfall nicht nach 10min vorbei sein würde, (und dass es in D langsam echt spät war;-)) beendete ich die Aus-dem-Tornado-Liveschaltung um Akku zu sparen. Interessanterweise war der ganze Spuk, dann tatsächlich wie in der Warnung angegeben um kurz nach 16:30 vorüber. Keine Sirenen mehr und der Wind war nicht mehr bis in den Keller zu hören. Entwarnung aufs Handy. Als ich wieder aus meinem Loch kam war es nur noch ein Gewitter – zugegeben, eines mit echt viel Regen. Nee, so wollte ich den Joe nicht mit dem Rad heimfahren lassen. Und außerdem, jetzt wo alles wieder gut war, hatte ich die Hoffnung, dass unsere Verabredung zum gemeinsamen Lauf am Abend doch nicht buchstäblich ins Wasser fallen würde. Nur wenn der jetzt erst noch 15km durch den Regen fahren hat er bestimmt keinen Bock mehr. Ich also los und den Joe und sein Rad per Auto abgeholt – und ja, meine, nicht wirklich altruistische Aktion hat sich gelohnt, wir waren noch zusammen laufen. In dieser ganz speziellen Stimmung, wie du sie nur nach einem heftigen Sommergewitter hast, in der sommerlich warmen Abendsonne (Joe meinte „Abendschwüle“, aber ich kann mit dem Begriff „schwül“ irgendwie nichts anfangen...). Mal abgesehen davon, dass überall Baumteile herumlagen, war alles um uns herum noch heil. Nochmal Glück gehabt.
Später, in den Nachrichten erfuhren wir, dass es aber doch einige Tornado Touch Downs nicht weit entfernt von uns gegeben hatte. `N paar Häuser demoliert, keine Toten. 7446 Haushalte im Stadtgebiet Green Bay ohne Strom in 16461 in der GB Area.
Ja Leute, ohne Witz, die retrospektive Analyse der Schwere eines Unwetters erfolgt hier in Wisconsin in der anschaulichen Einheit „Haushalte ohne Strom“. Und ohne Strom blieben wir dann auch noch weitere 12 Stunden...
Da erschließt sich dann auch der tiefere Sinn, dieser riesigen Grills, die hier in den USA so populär sind. Das sind die Stromausfall-Outdoor-Küchen. Unser Modell hat sogar ne Herdplatte auf der wir uns dann noch ne Nudelsuppe mit privat-importierten Nudeln aus good old and Tornado-free Germany gekocht haben. Es war fast ein romantischer Abend - und angestoßen haben wir auf unterirdische Stromleitungen.
Es grüßt euch ganz herzlich
Das Team Rennschneck aus WI
Shelf Cloud Approaching NWS Green Bay (Photo by Phil Kurimski)